Auszug aus dem „Fast vollständigen Leitfaden zu temporären Kapriolen, paradoxen Abkürzungen und der Frage, ob Vergangenheit überhaupt verlässlich ist“, 2. überarbeitete Ausgabe.
Zeitsprünge
Substantiv | /ˈtsaɪtˌʃprʏŋə/
Das kurzzeitige Aussetzen der Linearität, meist ungebeten, manchmal beabsichtigt. Sie führen dazu, dass Ereignisse nicht in der erwarteten Reihenfolge stattfinden – eine Art unhöflicher Umgang mit Ursache und Wirkung.
Treten bevorzugt auf in Science-Fiction, Albträumen, Familienfeiern und in der Nähe ungesicherter Quantenfelder.

Achtung: Zeitsprünge sind keine Reisen im klassischen Sinne. Sie sind eher temporäre Verrenkungen, die dich ohne Vorwarnung aus dem gewohnten Ablauf.
Nebenwirkungen: Verwirrung, Déjà-vus, das Gefühl, eine Pointe schon gehört zu haben, bevor sie erzählt wurde.
„Zeitsprünge sind kein Beweis für Chaos – sie sind Beweis dafür, dass Ursache und Wirkung nie ein festes Paar waren.“ – M. Singh, Temporaltheoretikerin.
Bevor ein Ereignis eintritt, bevor eine Handlung abgeschlossen ist, kann ein Sprung ihn bereits verändert haben. Was gestern sicher schien, ist morgen nur noch eine Möglichkeit.
Zeitsprünge erinnern daran, dass Realität kein festes Band ist, sondern eine Abfolge von Entscheidungen, die jederzeit verrutschen können.
„Die eigentliche Paradoxie der Zeit ist, dass sie uns immer linear vorkommt – was allerdings mehr in unserem begrenzten Vorstellungsvermögen als in der Physik begründet ist.“ – Prof. Dr. T. Han, Chronophysiker, notorisch unpünktlich und im Vorruhestand … da hat jemand Zeitsprünge wirklich verstanden 😉
Die Zeitschleife ist die höfliche, aber hartnäckige Schwester des Zeitsprungs: alles wiederholt sich, nur du merkst es. Der Wecker klingelt, die Bahn fährt davon, der Kaffee kippt – Neustart. Anfangs wirkt es wie ein Geschenk (endlos Zeit, alles auszuprobieren), doch ab Tag 37 verhandelst du ernsthaft mit deinem Toaster über Sinn und Zweck des Frühstücks. ¹
Ob Schleifen ein Fluchtweg sind oder nur unsere Geduld prüft, ist umstritten. Manche berichten von minimalen Abweichungen – ein anderer Blick, ein falscher Schritt –, die wie Sollbruchstellen funktionieren. Andere behaupten, die Schleife sei nicht die Zeit, sondern die Gewohnheit.
Die Frage ist nicht, ob Zeitsprünge möglich sind. Sondern, wie man mit den Folgen lebt. Vielleicht ist Zeit gar kein Fluss. Vielleicht ist sie ein Raum – mit zu vielen Türen. Wer springt, verändert nicht nur seine Geschichte. Er verschiebt die Geschichten aller, die ihm begegnen. Und manchmal reicht ein einziger Sprung, um ein ganzes Muster neu zu ordnen.
Frage zum Mitnehmen:
Welche Zeitanomalie in einem Buch ist die coolste, die du je gelesen hast?
Mein persönlicher Favorit ist wie so oft Terry Pratchett – ich kann mich nur nicht zwischen dem Zukunftsschweinlager und dem Anbau von reannuellem Wein entscheiden.
¹ Zeit im Haushalt: Besonders anfällig für Schleifen sind Fahrpläne, Arzttermine und Paketlieferungen. Physiker nennen es „Nichtlinearität“. Familien nennen es „das berühmte 12–18-Uhr-Zeitfenster“.
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