Raum Zeit im Beta-Test

Wie es ist, ein Universum loszulassen (obwohl es einen noch nicht loslässt) 
Die Betaphase hat begonnen. Die deutsche Version ist letzte Woche rausgegangen, die englische vor vier Tagen. Also an meine wunderbaren Beta Lesern. Und jetzt? Jetzt beginnt das Warten. Oder besser gesagt: das hibbelige Kreisen um den eigenen Posteingang. 
Denn wer denkt, ein Buch sei mit der letzten Szene fertig, hat nie erlebt, wie es sich anfühlt, wenn plötzlich jemand anderes es liest – mit frischen Augen, eigenen Gedanken … und vielleicht der Erkenntnis, dass man selbst noch zu nah dran ist. Denn eigentlich – ganz ehrlich – fühlt es sich noch nicht fertig an. Nicht falsch, nicht unfertig – nur: noch nicht fertig genug.

Und genau das ist das Schwierige.

Bild einer offenen Tur, dahinter sihet man  einen Bibliothek mit Menschen die begeistert ein Buch lesen. An der Tür hängt ein Schild mit der Aufschrift: Nicht Stören - Beta Test

Es ist ein bisschen wie Besuch von der Schwiegermutter: Man räumt auf, es klingelt, man macht die Tür auf – und merkt erst danach, dass da noch eine Socke unter dem Sofa liegt. Oder ein Monster. Und plötzlich denkt man:
Warte kurz. Vielleicht muss das Regal da hinten doch noch mal weg. Vielleicht ist das ein bisschen zu viel Lila. Vielleicht findet sie den Keller?
Oder schlimmer: den Dachboden.

Dann kommt sie rein, mit Stoppuhr, Notizblock … und der Frage: Warum steht dieser Stuhl hier? Und du denkst: Weil er da hingehört. Oder? Vielleicht nicht. Oh Gott.

Die Betaphase ist nicht das Ende des Schreibprozesses. Aber es ist der Moment, in dem man sich entscheidet, dass das Buch nicht länger nur einem selbst gehört. Es gehört nun auch denen, die es testen. Erkunden. Infrage stellen.

Und genau das soll es ja: besser werden. Wahrer. Mehr Raum Zeit.

Die Betaphase ist der Moment, in dem man sein eigenes Werk nicht mehr schützen kann. Nicht mehr erklären, verteidigen, umformulieren. Es ist draußen.
Und man selbst? Man sitzt da – mit gespitzten Ohren, Kaffee in der Hand, ein bisschen atemlos – und fragt sich, ob jemand merkt, dass Seite 47 eigentlich noch gar nicht mit Seite 132 spricht.

Aber genau deshalb gibt es Beta-Leser. Weil sie sehen, was man selbst nicht mehr sieht.
Weil sie den Staub finden, den man selbst schon „Patina“ nennt. Und weil sie dabei helfen, dass das Buch am Ende nicht nur gut gemeint ist – sondern richtig genial.

Bis Ende August läuft der Test. Danach geht’s ans Eingemachte. Oder ans Umgestülpte.
Aber jetzt erst mal: Tür zu. Schild raus. 'Nicht stören – Beta-Test.'“


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