Belebend wie ein Mokka

Es gibt Bücher, die lese ich wegen ihrer Figuren. Andere, wegen der Spannung. Und dann gibt es die, die mich in eine Welt entführen, so plastisch, dass ich glaube, den Rauch der Kamine und den Geruch der Straßen noch in den Haaren zu haben, wenn ich das Buch schließe. 
Die Sir John Fielding-Reihe von Bruce Alexander gehört für mich in diese letzte Kategorie.

Sir John Fielding, eine historische Figur, die tatsächlich existierte – Richter, Reformer, blind seit seiner Jugend – wird hier zu einem Ermittler, der mit Scharfsinn und unbeirrbarer Gerechtigkeit durch das London des 18. Jahrhunderts führt. An seiner Seite Jeremy Proctor, ein Waisenjunge, der mir die Tür in diese Welt öffnet, indem er sie mich mit seinen Augen sehen lässt und mit seinem Staunen lebendig macht.

Was die Reihe besonders macht, ist nicht nur das Eintauchen in eine Zeit im Umbruch, sondern auch die Art, wie Alexander den Wandel greifbar macht. London atmet Veränderung: die ersten Kaffeehäuser, in denen Politik und Klatsch sich mischen; die Bow Street Runners, eine Vorstufe der modernen Polizei. Die Geschichten zeigen nicht nur, wie Fälle gelöst werden, sondern wie eine Stadt sich selbst erfindet, die Enge und das Chaos einer Stadt, die wächst, schneller als ihre Regeln.

Alexander schafft es, all das nicht als bloße Kulisse zu nutzen, sondern als lebendige Welt. Geschichte findet hier nicht im Hintergrund statt, sondern in jeder Straßenszene, jedem Wirtshausgespräch, jedem Verfahren vor Gericht vermittelt sie den Staub, den Klang, die Energie dieser Epoche, nicht in Archiven, sondern auf den Straßen – zwischen Händlern, Dieben, Richtern und Träumern.

Was ich mitnehme?
Dass gute Kriminalliteratur nicht nur Rätsel löst, sondern auch neue Blickwinkel eröffnet – auf Zeiten, Orten und Menschen, die wir sonst vielleicht nie so gesehen hätten, wie zum Beispiel aus der „Sicht“ eines Blinden.
Dass World Building nicht immer in Fantasy oder Science Fiction stattfindet – sondern auch mitten in unserer Vergangenheit, wenn jemand sie so erzählt, dass sie wieder lebendig wird.


Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.