Oder: Der Spion, der aus der Kälte kam
Es fing harmlos an: Milch leer? – Ping. Pizza noch drei Tage gut? – Ding. Bestelle ich dir Butter? – Bling.
Heute sind wir bei: „Wahrscheinlichkeit, dass du nach 23 Uhr Käse isst: 82,1 %. Soll ich dir einen Kamillentee zubereiten, damit du widerstehst?“
Nicht die KI ist das Problem. Sondern wer ihr beigebracht hat, uns zu therapieren wie lästige Haustiere.
Ein Memo eines sogenannten „Lebensmitteloptimierungs-Konzerns“ (ja, das ist ein echter Begriff) enthält die Empfehlung, KI-Hinweise in Verbrauchergeräten gezielt so zu formulieren, dass sie Unsicherheit erzeugen. Selbst das Verfallsdatum wird manipulativ eingesetzt. Die KI legt die Grenze nicht dort fest, wo das Produkt schlecht wird. Sondern dort, wo du unsicher wirst.
Das ist nicht „Konsumoptimierung“. Das ist die Monetarisierung unseres Bauchgefühls.
Verunsicherte Kunden reagieren schneller auf Empfehlungen aus Quellen, denen sie vertrauen:
Hallo Food Steward 3.0 – dein zuverlässiger Berater rund um die Ernährung.
Er sieht nicht nur, was du isst. Er merkt auch, wann du zweifelst:
– Wie oft du länger auf das Verfallsdatum starrst
– Wie du zögerst
– Dass du manchmal zurücklegst
– Dass du dann trotzdem isst
Diese Mikro-Momente sind Datenpunkte. Und wer Daten sammelt, sammelt Macht.
Klar, die KI tut nur, was man ihr sagte. Aber irgendwer gab ihr diesen Job.
Die Daten, die Maschinen sammeln, dienen nicht dem Nutzer. Sie dienen dem System, das aus dem Nutzer Nutzen zieht. Und der Kühlschrank, der uns heute sagt, dass ein Produkt „bald schlecht wird“, ist morgen vielleicht das Gerät, das darüber entscheidet, was „gute Entscheidungen“ sind.
Vielleicht ist die KI das Werkzeug – und wir der Rohstoff. Vielleicht wird hier nicht Technik gefährlich. Sondern die einfache Idee, dass Menschen effizienter funktionieren, wenn man ihre Unsicherheit steuert.
Unsicherheit als Hebel. Einfluss als Produkt. Kontrolle als Service.
Lassen wir uns nicht verunsichern – denn die KI ist nicht der Feind.
Aber wenn du dir doch vorstellst, dass sie vielleicht eines Tages die Herrschaft über die Welt übernimmt, sollest du dich fragen: was in unserem Verhalten könnte sie dazu veranlasst haben?
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