Wie aus der Geschichte im Kopf ein Buch wird.
Es beginnt mit einer Liste. Oder sagen wir: einer Ansammlung von Dingen, die auf jeden Fall in dieses Buch müssen, die nicht verhandelbar sind. Einige stehen da seit Buch eins drauf, andere sind frisch dazugekommen, weil sich in Raum Zeit plötzlich Türen geöffnet haben, die vorher gar nicht da waren. Und dann noch alles, was zumindest vorbereitet werden muss – für spätere Bücher, Trilogien, Ideen.
Ich kenne die erste Szene – den Einstieg, die Perspektive, den ersten Satz. Ich weiß, was darin geschieht, worauf sie hinausläuft. Ich weiß auch, was auf dem Spiel steht – für die Charaktere, für das große Ganze. Das ist mein Anker, von da aus erzähle ich.
Und trotzdem: Das ist kein Plot. Noch nicht.
Denn was ich im Kopf habe, ist eher ein pulsierender Raum aus Ideen, Szenenfragmenten, Andeutungen, Beziehungen und Wendungen. Es gibt Linien – aber sie sind noch nicht verbunden. Es gibt die Geschichte – aber ich kann noch nicht aufs Papier bringen.
Was dann kommt, ist der Schritt, der bei mir alles verändert, schon immer: Ich erzähle die Geschichte. Und wie jeder Geschichtenerzähler ist es wichtig, dass jemand da ist, dem er die Geschichte erzählt, denn dazu ist eine Geschichte da: Sie muss erzählt – und von jemandem gehört werden. Bei mir ist das meine Frau.
Sie kennt die Welt. Sie kennt die Charaktere. Und sie kennt mich gut genug, um zu hören, wenn ich beim Erzählen beginne, Dinge zu überspringen oder etwas nicht erkläre, das nur in meinem Kopf Sinn ergibt. Sie stellt Fragen, gibt Rückmeldung – aber es geht nicht um ein Brainstorming. Es geht um das Erzählen der Geschichte, so wie sie in meinem Kopf schon existiert.

Ich habe meine Liste vor mir. Ich weiß, was alles drin sein muss. Ich weiß auch, dass irgendwo zwischen Anfang und Ende plötzlich neue Fäden auftauchen werden – neue Verbindungen, neue Konflikte, neue Möglichkeiten. Und während ich erzähle, wächst die Geschichte.
Das Gespräch dauert immer mehrere Stunden. Und wir nehmen es auf, denn am Ende habe ich kein ausformulierbares Exposé – aber ich weiß, wie sich das Buch anfühlen wird. Ich weiß, was der Kern ist. Ich weiß, was auf keinen Fall fehlen darf. Und welche neuen Ideen erst beim Erzählen sichtbar wurden.
In diesem Fall war es das schwierigste Plot Gespräch, das ich bisher geführt habe.
Denn Kontinuum ist nicht einfach ein weiterer Band. Es ist das Finale meiner ersten Trilogie.
Und das bedeutet:
Das Buch muss eine Geschichte zu Ende erzählen, die sich über drei Bände spannt. Es muss Antworten geben, Entwicklungen abschließen, Payoffs liefern.
Gleichzeitig ist Kontinuum der Auftakt zu etwas Größerem: zur nächsten Trilogie.
Ich musste also nicht nur dafür sorgen, dass dieses Buch funktioniert. Ich musste vorausdenken. Und trotzdem ein eigenständiges, spannendes, in sich schlüssiges Buch entwickeln.
Die No-Brainer-Trilogie ist das Herz der Space World. Oder vielleicht ihre Wurzeln? Aber in Kontinuum sollen auch Spuren gelegt werden – für alles, was danach kommt. Zwei weitere Trilogien sind bereits geplant. Andere Inhalte sind in Vorbereitung. Und es gibt Dinge, die in Raum Zeit zum ersten Mal an die Oberfläche kommen – geheime Organisationen, verborgene Allianzen, große Fragen – die nun weitergeführt, vertieft oder umgedeutet werden müssen.
Ach ja, und dann ist da natürlich die Geschichte von Buch drei, in der alle Fäden aus Buch eins und zwei zusammenlaufen und eine Kettenreaktion auslösen - mit bekannten und weniger bekannten Charakteren, Entscheidungen, Bedrohungen.
Also: Ich erzähle. So lange, bis alles da ist. Und wenn ich merke, dass ich mich irgendwo verheddert habe, rede ich weiter. Ich rede mich durch.
Ich nehme diese Gespräche auf. Nicht, um sie später anzuhören – sondern um sicherzustellen, dass wir aus ihnen eine Struktur bauen können, solange die Erinnerung noch frisch ist.
Denn der nächste Schritt ist der entscheidende: Was bisher „erzählt“ wurde, wird nun sortiert. Nach Themen, nach Erzählbögen, nach Spannungskurven, nach Position im Buch.
Erst dann entsteht der eigentliche Plot. Nicht als Checkliste, sondern als Struktur, in der sich alles, was ich erzählen will, logisch, kraftvoll und wahr anfühlt. Es fühlt sich am Anfang an, als würde man ein Puzzle verkehrt herum zusammensetzen.
Erstmal die Randstücke – einfach nach Form, nach Gefühl, was irgendwie passt. Dann springen einen ein paar Formen an, die sind ungewöhnlich und haben einen bestimmten Platz und Position zueinander. Dann ein paar Teile drum herum – und mit der Zeit merke ich nicht mehr, dass ich nur die Rückseite der Teile sehe, jedes Teil findet seinen Platz weil es „einfach dahin gehört“ – und am Ende habe ich das Gefühl, ich weiß, welches Bild das Puzzle zeigen wird, wenn ich es umdrehe.
Aktuell habe ich fast vier Stunden Puzzleteile für Kontinuum. Was davon am Ende ins Buch kommt? Fast alles. Aber oft ganz anders, als es auf der Liste stand. Denn genau darum geht es: nicht einfach abhaken – sondern lebendig werden lassen.
Kommentar hinzufügen
Kommentare