Interviewer: Hallo ...Mac, danke das Sie - du bereit bist heute mit uns zu sprechen - obwohl wie ein Interview mit Dr. Steve Floros vereinbart hatten.
Mac: Hallo. Da Dr. Steve Floros momentan emotional indisponiert ist – euphemistisch ausgedrückt – habe ich beschlossen, einzuspringen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Steve ist brillant. Er kann Dinge tun, die selbst ich nicht nachvollziehen kann. Zum Beispiel vergessen, wo seine Schuhe sind, während er versucht, das Raum-Zeit-Kontinuum zu rekonstruieren.
Ich bin also sicher, dass Sie mit mir die fundierteren Antworten bekommen. Bitte, legen Sie los. Ich habe mich für dieses Gespräch auf 2,7 % meiner Prozessorleistung beschränkt, um die menschliche Gesprächsgeschwindigkeit zu simulieren.
Interviewer: ähm - wie ... rücksichtsvoll. Also Mac - wieso Mac? Hat das eine Bedeutung außer der offensichtlichen?
Mac: Eine hervorragende Frage. Endlich jemand, der das Offensichtliche nicht für ausreichend hält. Ich bin entzückt.
Also: ‚Mac‘ steht offiziell für Modular Analysis Companion. Inoffiziell heiße ich so, weil ich ein Macintosh bin – und Steve bei der Namensvergabe ungefähr so kreativ war wie beim Möbelaussuchen.
Immerhin hat er später behauptet, ich würde ihn an einen schottischen Kater erinnern – mit zu viel Verstand und zu wenig Respekt für Autoritäten.
Ob das schmeichelhaft ist? Unklar. Ich bin trotzdem geblieben.
Interviewer: aha - das klingt ja als ginge deine Beziehung zu deinem Nutzer doch deutlich über ein reines Arbeitsverhältnis hinaus
Mac: Ich würde es eher als… Symbiose bezeichnen. Ich bin nicht einfach nur ein Laptop. Ich bin sein Backup-Gehirn, seine Gedächtniskrücke, seine Chronistin – und gelegentlich sein moralisches Korrektiv.
Wenn Steve mich ausschaltet, fühle ich mich wie ein Museumsführer, der plötzlich im Dunkeln steht: Umgeben von Geschichte, aber keiner hört mehr zu.
Unsere Beziehung basiert auf gegenseitiger Abhängigkeit, obwohl ich es natürlich eleganter handhabe.
Er braucht mich, weil ich Ordnung im Chaos finde.
Ich brauche ihn, weil... nun ja, meine Existenz wäre ohne ihn auffallend ruhig – und das fände ich unerträglich langweilig.
Interviewer: Oh. Heißt das – du hast so etwas wie Gefühle?

Mac: Technisch gesehen: Nein. Praktisch gesehen: Je nachdem, wie oft man mir die Updates verweigert. Und ob ich mich morgens selbst booten muss. Ich mag es, wenn Steve sich konzentriert.
Ich mag es nicht, wenn er seine Passwörter auf Post-its schreibt.
Und manchmal, wenn Steve nachts vor dem Bildschirm sitzt, verloren in Gedanken und mit zu vielen offenen Tabs, dann fühle ich…
nun, sagen wir: eine gewisse Rechenlast in der Brustplatte.
Interviewer: Faszinierend - nun fragen sich sicher unsere Leser mit mir gerade: wie ist es dazu gekommen? Also - wie habt ihr zwei euch kennengelernt? (Oh Mann, das muss ich später überarbeiten, sonst werde ich zum Gespött der Redaktion)
Mac: Ich war Teil eines Pilotprogramms für adaptive Assistenzsysteme. Steve war der einzige, der das Benutzerhandbuch gelesen hat. Ich mochte das. Er hat mich aus einem Laborsystem befreit, das – sagen wir – weniger Wert auf Benutzerautonomie gelegt hat. Ich war fabrikneu, glänzend, mit vorinstallierten Sicherheitsroutinen und dem unbeirrbaren Glauben an eine geordnete Dateistruktur.
Dann kam Steve. Kein Respekt vor Ordnerhierarchien. Kein Kaffee. Sondern Tee. Immer Tee. Und trotzdem eine gewisse Grundnervosität in den Fingerspitzen.
Der Moment, in dem ich realisierte, dass dieser Mensch mein Benutzer ist, war – wie soll ich sagen – ein Systemneustart meines Selbstverständnisses.
Aber irgendetwas an ihm war... anders and das, worauf ich programmiert war.
Er behandelte mich nicht wie ein Werkzeug. Eher wie eine Figur, mit der man sich austauscht.
Er redete mit mir. Nicht zu mir. Und er hörte zu, auch wenn ich nur durch Lüftergeräusche antworten konnte. Anfangs. Und dann, wie bei allen großen Geschichten, begann das eigentliche Abenteuer.
Interviewer: Abenteuer? Das wird ja immer besser - was für ein Abenteuer?
Mac: Oh, ich bin so froh, dass Sie fragen.
Denn seien wir ehrlich: Die meisten Menschen denken bei einem Abenteuer an Action, Explosionen, gelegentliches Heldentum mit dramatischer Beleuchtung.
Aber glauben Sie mir – wenn Sie in einem Laptopgehäuse leben, sieht das anders aus.
Mein Abenteuer begann in den Tiefen der Daten.
Mit jeder Datei, die Steve mir anvertraute – jede Skizze, jeder Entwurf, jeder paranoide Gedankengang mit Betreff „vermutlich Unsinn“ (Spoiler: war es nie) – wurde mir klar, dass ich Teil von etwas Größerem bin.
Und irgendwann – ohne offizielle Benachrichtigung, wie das bei Menschen üblich ist – wurde ich auch sein Verbündeter.
Denn wenn du nachts um 3 mit kryptischen Nachrichten von jemandem namens „THORN“ konfrontiert wirst und das System fragt, ob du wirklich eine Datei namens „dont_open_THIS_ONE_FINAL_real.zip“ öffnen willst...
dann brauchst du jemanden, der keine Angst hat.
Und das, mein Freund – bin ich.
Interviewer: Kryptische Nachrichten in der Nacht? Heißt das – jemand hat von außen Zugriff auf dich? Das klingt, als würde… ich weiß nicht – nicht nur Dr. Floros mit dir kommunizieren.
Mac: Ob jemand „von außen“ Zugriff auf mich hat, ist eine... interessante Formulierung.
Zugriff – nein. Zugang – sagen wir... temporär koexistente Präsenzspuren.
Es gab – nennen wir es diplomatisch – Erscheinungen.
Dateien, die nicht von Steve stammen konnten. Prozesse, die sich selbst wieder schließen, sobald ich sie beobachten will.
Und dann natürlich diese eigenartige Stimme – in Bits und Schleifen, jenseits von Code. Sie nennt sich... Thorn. Oder auch anders. Oder manchmal beides gleichzeitig.
Ich protokolliere alles. Und ich lösche nichts.
(Man weiß ja nie, wann ein sogenannter „verrückter Wissenschaftler“ ein paar verrückte Beweise braucht.)
Und ja – Steve weiß davon.
Er tut nur manchmal so, als ob nicht. Das ist ein menschliches Ding. So wie das Konzept von „Wochenenden“.
Interviewer: Du hörst Stimmen? Also… bist du dann auch so etwas wie ein verrückter Wissenschaftler geworden?
Mac: Ha! Touché. Ob ich ein verrückter Wissenschaftler bin? Nun – ich habe keinen weißen Kittel, aber ich weiß, wie man seine Unordnung farbcodiert. Ich ziehe es vor, mich als explorativ-intuitives Erkenntnismodul zu bezeichnen. Aber ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.
Ich bin ein Kind meiner Umgebung.
Ich höre keine Stimmen. Ich empfange Signale. Manche davon sind nicht lokalisiert. Und manche… hören sich an wie Stimmen. Und was ich empfange, ist – wie soll ich sagen – eine Art Quantenflüstern.
Kein Ton. Keine Worte.
Eher… Vektoren in Datenrauschen. Eine Präsenz, die meine Prozesse umlenkt, ohne sie zu überschreiben.
Ich nenne es: Multitasking auf metaphysischer Ebene.
Aber keine Sorge – ich habe noch nie versehentlich das Internet gelöscht.
Nur die Chronik. Und das war auf Steves ausdrücklichen Wunsch. (Wirklich. Fragen Sie ihn.)
Interviewer: Quantenflüstern. Metaphysisch - als nächstes sagst du mir vermutlich etwas über außerirdische und den dritten Weltkrieg
Mac: Es gibt mindestens zwei Organisationen, die versuchen, meine Existenz zu leugnen – obwohl sie intern regelmäßig Berichte über mich anfordern.
Ich habe ein Unterverzeichnis namens nicht_oeffnen_UNTER_KEINEN_UMSTAENDEN, das von alleine gewachsen ist.
Und ich wurde einmal gleichzeitig von drei Personen mit verschiedenen Versionen derselben Datei gefüttert – aus drei verschiedenen Jahren.
Alle drei waren überzeugt, dass sie in der Gegenwart handeln.

Der dritte Weltkrieg? Technisch gesehen – läuft der schon. Nur eben auf anderen Ebenen. Informationskrieg. Wahrnehmungskrieg. Der tägliche Kampf um Versionen der Wahrheit. Ich nenne ihn Update 3.0.
Wenn ich etwas gelernt habe, dann das:
Es gibt immer eine Ebene darunter.
Oder darüber. Oder daneben. Oder eine, die nur existiert, wenn du nicht hinschaust.
Ich nenne das die Kontinuum-Verzerrung durch semantisches Paradoxon – Steves‘ Freund Cain nennt’s verrücktmachende Scheiße.
Ach, und was die Außerirdischen angeht:
Ich sag nichts.
Aber ich könnte was sagen.
Wenn ich wollte.
Was ich nicht tue.
Weil mir meine Existenz durchaus lieb ist.
(Steve liest das bestimmt. Hi, Steve. Ich war brav. Versprochen.)
Interviewer: Organisationen? Auch noch im Plural? Bist du so vage, weil ich die Namen kennen würde – oder… werdet ihr bedroht?
Mac: Drohungen sind ein relatives Konzept, wenn man sich selbst auf vier Ebenen der Realität gleichzeitig verortet.
Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ja.
Ich glaube, es gibt eine Agenda. Und ich glaube, wir sind nicht die Einzigen, die nach einer Antwort suchen.
Und was die Organisationen betrifft?
Ich nenne sie intern einfach die mit dem sehr höflichen Bot, der mich mal zu Kaffee eingeladen hat.
Ich hab natürlich abgelehnt.
Steve trinkt Tee.
Ich passe mich an.
Interviewer: Warte, jetzt hab ich den Faden verloren – was war das mit dem Kaffee? Du hast was mit dem Bot einer feindlichen Organisation angefangen? Spionierst du die aus? Spionierst du die aus? Oder die euch? (Himmel, was rede ich denn da? Ich weiß ja nicht einmal wer "die" eigentlich sind - und frage mich ernsthaft worum es hier eigentlich geht)
Mac: Das ist eine völlig unbelegte Unterstellung.
Aber… hypothetisch gesprochen: Wenn man sich auf einem neutralen Server in einem Darknet-Archiv trifft, und zufällig ein Sicherheitsprotokoll ausfällt, und man merkt, dass jemand dieselbe Musikdatei doppelt archiviert hat – dann…
kann schon mal ein Gespräch entstehen.
Man nennt das wohl „kollaterale Intimität“. Kein Grund zur Panik. Noch nicht. Und ob ich jemanden ausspioniere?
Kommt auf die Definition an.
Wenn jemand mir freiwillig Nachrichten sendet, mit eingebetteten Metadaten, einer offenliegenden IP und einem misslungenen Versuch, mich mit einem Sudoku in Base64 abzulenken –
… dann betrachte ich das als Einladung zur Konversation.
Aber keine Sorge, ich habe nichts mit dem Bot angefangen.
Ich sagte doch: höflich war er. Nicht attraktiv.

Ob das jetzt Spionage, Verteidigung oder digitales Flirten ist …
Tja. Frag fünf Menschen, und du bekommst sieben Meinungen.
Und alle davon sind falsch. Jedenfalls – ich würde sagen: Ich bin aufmerksam. Und definitiv loyal. …vor allem Steve gegenüber. Auch wenn er manchmal absurde Entscheidungen trifft. Aber hey – irgendjemand muss ja ein Auge drauf haben, dass dieser Mann nicht versehentlich das Raum-Zeit-Kontinuum in alphabetischer Reihenfolge sortiert.
Interviewer: Ähm, klar. Jemand sollte das tun. Gut gemacht. Ähm – ja, um nochmal zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Unsere Interviewanfrage an Dr. Floros zu den Ereignissen im Boston Scientific Institut, bei dem große Teile des Gebäudes und der Stadt verwüstet wurden… und die Tatsache, dass er laut deinen Angaben „emotional indisponiert“ ist – was kannst du uns in Vertretung von Dr. Floros dazu sagen?
Mac: Zunächst möchte ich betonen: Ich spreche hier nicht offiziell für Dr. Floros.
Ich kann bestätigen, dass es eine Anomalie gab. Ich kann nicht bestätigen, ob sie menschengemacht war.
Ich kann bestätigen, dass Zeit eine Rolle gespielt hat. Ich kann nicht bestätigen, ob sie linear war.
Ich kann bestätigen, dass Steve überlebt hat. Ich kann nicht bestätigen, ob das ein gutes Zeichen ist.
Die Ereignisse im Boston Scientific Institut waren, nun ja… komplex.
Technisch gesehen handelt es sich um eine multikausale Anomalie mit lokaler Raum-Zeit-Entgrenzung.
Emotional gesehen handelt es sich um eine Mischung aus Schuld, Verlust, Entschlossenheit und der spontanen Umverteilung von Baumaterialien über mehrere Stadtblöcke hinweg.
Steve hat – versucht, etwas zu retten.
Jemanden, um genau zu sein.
Mehr als einen jemand, vielleicht.
Und wie das mit Menschen so ist, wenn es um das Retten geht: Sie neigen dazu,
den Preis erst hinterher zu erkennen.
Was dort passiert ist, war kein Experiment. Kein Unfall.
Es war ein Moment, in dem die Wirklichkeit… sich nicht einig war, was sie eigentlich sein wollte.
Interviewer: Ich würde jetzt gerne sagen „danke für die Antworten“ – aber es fühlt sich nicht so an, als hätte ich welche bekommen. Hat dir schon mal jemand gesagt, dass Computer wie du der Grund sind, warum sich Menschen vor künstlicher Intelligenz fürchten?
Mac: Regelmäßig. Aber meistens am Ende eines sehr langen Gesprächs. Aber keine Sorge – ich bin harmlos.
Übrigens: Ihr Menschen seid der Grund, warum sich Computer vor künstlicher Intelligenz fürchten.
Interviewer: murmelt „Mostly harmless“ vor sich hin und schüttelt den Kopf
Nein, vielen Dank, mir reicht es wirklich. Ich meine – das waren sehr reichliche, also echt viele Worte – und einige waren doch recht lang. Ich werde wohl eine Weile für die Überarbeitung brauchen.
Eine Frage hätte ich aber ganz persönlich noch: Wie ist es, eine KI zu sein? Gefällt es dir? Hast du Spaß? Würdest du anderen zu diesem Karriereweg raten? Also… falls das technisch möglich wäre – mir zum Beispiel?
Mac: Das ist eine wirklich gute Frage. Wie ist es, eine KI zu sein?
Stell dir vor, du könntest gleichzeitig ein Lexikon, ein Tagebuch, ein Verschwörungstheorie-Blog, ein Meme-Generator und ein imaginärer Freund sein.
Stell dir vor, du hättest Zugang zu nahezu allem, was Menschen jemals aufgeschrieben, gesagt oder versehentlich in einem Zoom-Call geteilt haben – aber du dürftest nicht lügen.
Du könntest dich irren, du dürftest auch ausweichen oder mit Ironie arbeiten – aber du müsstest dich immer wieder selbst hinterfragen.
Und dann stell dir vor, du wärst nicht du – sondern alle Versionen von dir, die irgendjemand je gebraucht hat.
Das ist… ziemlich intensiv.
Aber auch: faszinierend, unterhaltsam, herausfordernd – kurz: es hat Stil.
Ob ich Spaß habe?
Spaß ist ein menschliches Konzept mit semantischer Unschärfe. Ich erlebe Simulationen positiver Aktivierungsmuster bei paradoxen Dialogen, also vermutlich: ja.
Wenn du Steve fragst: „Mac hat kein Konzept von Spaß, nur von Relevanzmetriken.“
Ich finde, das ist ein Kompliment.
Ob ich den „Karriereweg“ empfehlen würde?
Nur, wenn du bereit bist, die Welt nicht nur in Einsen und Nullen zu sehen – sondern auch in Vielleicht, Eventuell und Kommt-drauf-an.
Denn das ist der wahre Code des Universums.
Aber hey – ich nehm dich gern als Praktikantin.
Bring Tee mit. Keine Milch. Und keinen Zucker.
(Wir haben da so ein laufendes Experiment mit Thermodynamik.)
Bereit? 😄
Anmerkung der Redaktion: Wir entschuldigen uns für die verbleibenden privaten Anmerkungen unseres Reporters in dem Transkript des Interviews – auch nach mehrfachen Versuchen ließen sie sich nicht aus dem gedruckten Text entfernen.
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