Diesmal geht es nicht um die Schildkröte.
Nicht direkt.
Diesmal geht es um Evelyn Carmichael.
Und um ein Bootshaus.
Und um eine Frage, die niemand gern stellt:
Wie viele Zufälle braucht es, bevor man von einem Muster spricht?
Wochen nach dem Verschwinden von Stanley Carmichael, dem nicht ganz so seefesten Bürgermeister Carmichael von Pittsfield, und der ebenso mysteriösen „Abwesenheit“ einer Bibliothekarin in Salisbury – erreichen uns neue, erschütternde Entwicklungen.
Evelyn Carmichael ist tot.
Gefunden wurde sie in einem Bootshaus außerhalb von Rockport.
Ursache: ein Sturz. Offiziell. Unwahrscheinlich, sagen wir.
Denn Evelyn, die laut ihrer Pilatesgruppe „beängstigend gelenkig“ war, war weder bekannt dafür, sich auf glitschigen Stegen aufzuhalten, noch überhaupt allein ans Wasser zu gehen.
Ihr letzter bekannter Anruf?
Ein Lieferdienst – zwei Brote, Käse, Hummus, und eine Flasche Weißwein.
Keine Spur von Flucht oder Verzweiflung. Kein Abschiedsbrief.
Evelyn Carmichael – mehr als nur die Ehefrau eines verschwundenen Bürgermeisters?
Offiziell war sie „Evelyn“, Ehefrau, Gartenliebhaberin, Aquarell-Künstlerin und gelegentliche Pilates-Teilnehmerin im Gemeindezentrum von Pittsfield.
Inoffiziell?
Nun – sagen wir, es gibt Hinweise darauf, dass Evelyn Carmichael mehr Einfluss auf die politische Karriere ihres Mannes hatte, als man ihr zugetraut hätte.
Ein anonymer Hinweisgeber sprach davon, dass Evelyn „niemals im Rampenlicht stehen wollte – weil sie das Licht lieber selbst ausrichtete“.
Andere Quellen deuten an, dass sie für den politischen Aufstieg ihres Mannes mehr getan haben könnte als Wahlkampf und Krawattenwahl.
Mehr als einmal wurde ihr Name in Zusammenhang mit verschwundenen Dokumenten, plötzlichen Meinungsumschwüngen in Stadträten und... gewissen Abhängigkeiten einflussreicher Persönlichkeiten gebracht.
Nichts Konkretes.
Nichts Nachweisbares.
Aber genug, um die Frage aufzuwerfen: War Stanley Carmichaels politischer Erfolg wirklich sein eigener – oder der Preis, den andere für Evelyns Ambitionen zahlten?
Und wenn ja – hat irgendjemand irgendwann genug davon gehabt?
Und wo ist ihr Mann?
Stanley Carmichael, Bürgermeister von Pittsfield, ist nach wie vor verschwunden – mitsamt seinem Boot. Nicht aufzufinden.
Er wurde zuletzt Wochen vor Evelyns Tod gesehen.
Aber plötzlich meldete er sich – nicht etwa bei der Polizei, sondern bei uns.
Wir geben Auszüge hier im Wortlaut wieder:
„Ich habe nichts mit Evelyns Tod zu tun. Ich bin... ich war nicht einmal da. Bitte glauben Sie mir. Ich habe keine andere Wahl gehabt, als zu gehen – aber ich habe nie gewollt, dass ihr etwas passiert. Ich werde nicht zurückkehren. Nicht, weil ich schuldig bin. Sondern weil ich weiß, dass mir niemand glauben wird.“
Die Polizei glaubt jetzt: Stanley ist geflohen.
Wir glauben: Stanley flieht vor jemandem.
Die Frage ist nur – vor wem?
Und dann ist da ja noch die Bibliothekarin.
Sie bleibt verschwunden.
Kein Anruf.
Kein Hinweis.
Ein leerer Schreibtisch.
Fast, als sei sie nie da gewesen.
Fazit? Gibt’s nicht.
Nur:
Eine Tote.
Zwei Vermisste.
Ein paar lose Enden.
Und eine Schildkröte, die nicht wieder aufgetaucht ist.
Wir sagen nicht, dass sie damit etwas zu tun hat.
Aber wir sagen auch nicht, dass sie es nicht hat.
Was, wenn Evelyn nicht „zur falschen Zeit am falschen Ort“ war, sondern zur richtigen Zeit am gefährlichsten Ort?
Was, wenn ihr Tod kein Unfall war – sondern ein Schlussstrich?
Denn wenn Evelyn Carmichael eines nicht tat, dann war es, zufällig irgendwo zu sein.
Wer immer sie kannte, beschreibt sie als kontrolliert. Planend. Zielgerichtet.
Warum also allein in ein Bootshaus bei Rockport?
Wen wollte sie treffen?
Und – hatte sie womöglich ihr eigenes Spiel im Hintergrund laufen?
Hat Stanley Carmichael seine Frau verlassen – oder floh er vor dem, was sie ins Rollen gebracht hatte?
Oder... war es jemand anderes, der nun die Fäden zieht?
Was bleibt, ist das Gefühl, dass hier etwas viel Größeres im Spiel ist.
Aber eines ist sicher:
Wenn irgendwo wieder das Wort „Schildkröte“ fällt – wir werden zuhören.
(P.S.: Vielleicht war es nur ein Zufall. Vielleicht war es ein Unfall. Vielleicht war es ein Mord. Aber wenn Evelyn Carmichael gefallen ist – dann fällt mit ihr vielleicht ein ganzes System.)
(P.P.S. Falls Sie Stanley Carmichael sehen: Er wirkte erschüttert. Nicht gefährlich. Und vor allem – wie jemand, der vor etwas flieht. Vielleicht nicht nur vor der Polizei. Sondern vor jemandem, den wir noch gar nicht auf dem Zettel haben.)
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